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Sonntag, 4.3.2007, 16 Uhr, Demokratisches Zentrum Ludwigsburg
Die kapitalistische Gesellschaft bringt notwendig ideologische Denkformen hervor. Von diesen direkt abgeleitet ist die Vorstellung, die kapitalistische Gesellschaft könne überwunden werden vermittels positiver Bezugnahme auf einfache Warenproduktion und Äquivalententausch. Diese werden dem Kapital und der Akkumulation gegenübergestellt.
Der Weltanschauungsmarxismus meint den grundsätzlichen Widerspruch kapitalistischer Vergesellschaftung in Eigentumsverhältnissen und ungleicher Distribution der produzierten Waren auszumachen. Die kapitalistisch entwickelte industrielle Fabrikproduktion scheint an sich als gesellschaftlich neutral begriffen zu werden, denn die Ausbeutungsverhältnisse innerhalb jener Produktion beruhen dieser Vorstellung zufolge lediglich auf der Privatheit des Eigentums an Produktionsmitteln. Ihren spezifisch kapitalistischen Charakter erhalte die Maschinerie erst durch entsprechende Anwendung. Die Marxsche Kritik der Kategorien von Wert, Ware, Geld, Kapital und Arbeit wird abgespalten zum philosophischen Zierwerk dessen, was als eigentlich revolutionäres Geschäft gilt, der Aneignung der Produktionsmittel durch die bürokratisch verstaatlichte Arbeiterklasse. Die negative Kritik der kapitalistischen Gesellschaft wird dabei verkehrt zur sozialistischen Utopie einer Ökonomie, welche letztlich lediglich den Anspruch hat, Wertgesetz und Äquivalententausch konsequenter – in diesem Sinne: sozialverträglicher - durchzusetzen.
Auch Kapitalismuskritik jenseits kommunistischer Verortung stützt sich in der Regel auf das Motiv der einfachen Warenproduktion, vom Anarchismus des P. J. Proudhon und S. Gesell über den nationalen Sozialismus der konservativen Revolution bis hin zur gegenwärtig populären Kritik an Erscheinungsformungen des Kapitalismus, an welchen man wahlweise die Attribute des Raubtieres oder Ungeziefers erkennen will. Marx gestand den Ideologen der einfachen Warenproduktion noch eine gewisse Sensibilität für die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft zu. Die utopische Anstrengung, die reale Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft mit ihrem Ideal zu versöhnen, schien ihm schlicht überflüssiges Geschäft zu sein. Materialistische Gesellschaftskritik sollte heute, unter Einbeziehung der historischen Erfahrung, die Ideologie der einfachen Warenproduktion und ihre Manifestationen konsequent zu ihrem Gegenstand machen, statt sie zu goutieren, wie es geläufige linke Praxis dieser Tage scheint. Die Veranstaltung mit Nadja Rakowitz ist als Versuch zu verstehen, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Die Veranstaltung wird gefördert vom Rosa-Luxemburg-Forum
für Bildung und Analyse in Baden-Württemberg e.V..
Literatur
- Rakowitz, Nadja: Einfache Warenproduktion. Ideal und Ideologie. Freiburg 2000.
- Rakowitz, Nadja: Die Kritik am Zins - Eine Sackgasse der Kapitalismuskritik. Ausformulierter Vortrag, Frankfurt a. M., Nov. 2000 (via theorie praxis lokal).