Deprecated: preg_replace(): The /e modifier is deprecated, use preg_replace_callback instead in /www/htdocs/w0072016/wordpress/wp-includes/functions-formatting.php on line 83
Sonntag, 1. 10. 2006, 16 Uhr; Vogelsangstraße 18/1
Eine Selbstverständigung und die dazu notwendige Reflexion des »Seltsamen Zusammenschluss« (SZ) befindet sich in einer scheinbar paradoxen Situation, die aber nichts anderes ist, als das Paradoxon eines jeden Anfangs, der sich selbst zum Gegenstand der Reflexion macht. Es ist unmöglich alles geklärt zu haben, bevor angefangen wird, denn mit der Klärung wäre dann bereits begonnen, wobei damit ebenso wenig »klar« ist.
Ebenso verhält es sich mit dem - hier im Programm sich befindenden - Eingangstext »Über den Seltsamen Zusammenschluss«. Hinter diesem steht der Anspruch eine Selbstreflexion zu eröffnen, wobei in ihm schon entscheidende Fragestellungen vorformuliert sind, die jedoch ihrerseits einer Klärung bedürfen. Es wäre also ein Missverständnis zu meinen, dass der Text »den SZ« repräsentiert.
Da der SZ des Weiteren jegliche identitäre Gruppenkonstituierung vermeiden möchte, ist es wichtig, dass ein solcher Selbstverständigungsprozess öffentlich und transparent stattfinden muss. Einer »Innen/Außen«-Grenzziehung oder »Wir/Ihr«-Konstellation und der damit verbundenen Homogenisierung des »Ichs« im »Wir« soll frühzeitig begegnet werden. Der SZ ist keine definierte Menge feststehender Personen und kann deshalb auch keine Mitglieder haben, sondern er besteht nur in und mit dem Prozess der Selbstverständigung, wobei die Veranstaltungen des SZ Teil dieses Prozesses sind. Die dabei zu erwartenden Konflikte bezüglich bestimmter gesellschaftskritischer Themen und problematisierter Sachverhalte sollen weder harmonisiert bzw. ihnen ausgewichen, noch auf Kosten persönlicher Integrität der Beteiligten ausgetragen werden. Diese Konflikte sollen vielmehr offen zur Sprache kommen, damit Auseinandersetzungen überhaupt ermöglicht werden. D.h. auf der Grundlage des sich gegenseitigen Respektierens und Sich-Ernst-Nehmens sind sie im Sinne der negativen Kritik ausdrücklich erwünscht. Offenheit, Nichtgettoisierung und Selbstkritik findet im SZ also nicht – wie sonst in »linken Zusammenhängen« üblich – nur floskelhaften Ausdruck, sondern wird von Anfang an offensiv angegangen, wenngleich ein mögliches Gelingen nicht prognostizierbar ist.
Um Eigendynamiken, Selbstläufer und Sachzwanglogiken, die sich in der Regel aus den eigenen Voraussetzungen ergeben zu vermeiden, werden in unregelmäßigen Abständen Negative Nachmittage, wie dieser, stattfinden, bei denen der SZ sich selbst und seine Tätigkeiten kritisch reflektiert und zu dem alle Interessierten und Kritiker_innen des SZ eingeladen sind.
An unserem ersten zur kritischen Selbstreflexion dienenden Negativen Nachmittag stehen die im nachfolgenden Text zwar formulierten aber noch ungeklärten Themen und ihre Implikationen im Mittelpunkt.
Über den »Seltsamen Zusammenschluss«:
Der »Seltsame Zusammenschluss« (SZ) hat sich in der Auseinandersetzung im und um das Stuttgarter »Bedingt Autonome Zentrum« (BAZ110) 2005/06 zusammengefunden. Ausschlaggebend war hierbei das Unbehagen gegenüber bisheriger, insbesondere lokaler, linker Praxis. Die Diskussion über so etwas wie ein »Selbstverständnis« steht am Anfang und wird, wie das Projekt selbst, weiterhin prozesshaften Charakter aufweisen. Was über den SZ mitzuteilen ist, steht folglich unter selbstreflexivem Vorzeichen. Dies bedeutet, dass folgende Zeilen vorwiegend einer Selbstverständigung dienen, an der der SZ jedoch Interessierte durchaus teilhaben lassen möchte. Weil nun der SZ keine geschlossene Assoziierung darstellt und darstellen möchte, können diejenigen Interessierten darüber hinaus an jenem selbstreflexiven Prozess auch aktiv teilnehmen, was ausdrücklich begrüßt wird.
Da an einem solchen Anfang weder Zweck noch Form und Inhalt in einer gesetzten und fixierten Weise feststehen können, müssen zugleich auch die Beantwortung der Fragen, was der SZ ist und was er will, notwendigerweise abstrakt ausfallen. Im angesprochenen Prozess lassen sich Tätigkeitsfelder vorerst nur diskursiv tastend bestimmen und über Negativität entwickeln. Negativität heißt hier, dass zunächst von Grenzen her bestimmt werden soll, was unter keinen Umständen gewollt oder geduldet sein kann.
Zum einen wird damit den historischen Erfahrungen Rechnung getragen, dass die entfremdete Gesellschaft nicht mit entfremdeten Mitteln und in einer entfremdeten Assoziierung bekämpft werden kann. Zum anderen ist in einer solchen negativen Herangehensweise eingeschrieben, dass in der Gestaltung des SZ Vielfalt möglich sein kann und muss, zum Beispiel anders sein zu können, ohne dass zugleich der SZ in seiner Form beliebig wird, sondern sich strengstens den kategorischen Imperativen von Adorno und Marx verpflichtet fühlt: Es gilt »Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe« und »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.«
Denn gerade der Prozess, in dem die hier Assoziierten stehen, ist einer, der sich auszeichnet durch seine Negativabgrenzung zum Elend (nicht nur) der Stuttgarter Linken. Elend bezeichnet hier das Wohlfühlen in der eigenen Unzulänglichkeit als authentischer Ausweis linker Identität. Gegenüber solchen Konzepten linker, statischer Gemeinschaftlichkeit versucht der SZ das Prozesshafte einer emanzipativen Gesellschaftlichkeit anzugehen, die als entwicklungsfähige Assoziierung dazu dienen kann, zugleich kollektiv und nichthomogenisierend, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse kohärent zu kritisieren. Um diesen Anspruch in einem ersten Schritt zu konkretisieren, wird von uns deshalb eine kontinuierliche Auseinandersetzung angestrebt, in der wir uns auf Treffen, genauso wie auf Veranstaltungen, die verschiedensten Themenfelder kooperativ diskutieren und aneignen wollen, ohne dabei in trennendes Spezialistentum zu verfallen und damit bestehende Trennungen in Sphären zu reproduzieren; es bleibt spannend wohin die Reise führt…